Der November ist jene besondere Zeit, in der wir den Toten gedenken. Beim Besuch von Friedhöfen erinnern wir uns an unsere Verwandten, Freunde oder Bekannten, die ihren irdischen Weg beendet haben. Wir erinnern uns auch an diejenigen, die wir nicht persönlich kannten, deren Leben aber in irgendeiner Weise das unsere beeinflusst hat, so dass ein Kreis von Geschichten, Ereignissen, Begegnungen entsteht… Dank der einzigartigen Persönlichkeit von Edith Stein, der Hl. Teresa Benedicta vom Kreuz, sind uns ihre Eltern, Siegfried und Auguste Stein, nahe und wichtig geworden. Heute können wir ihre Gräber auf dem alten jüdischen Friedhof in der ul. Ślężnej in Breslau (Wrocław) besuchen.
Seit 1991 ist der alte jüdische Friedhof in Breslau (Wrocław) als Museum für Friedhofskunst für die Öffentlichkeit zugänglich. Es ist die Ruhestätte vieler prominenter Persönlichkeiten, die sich um Breslau (Wrocław), Schlesien und Europa verdient gemacht haben. Die Grabsteine von Edith Steins Eltern, Siegfried und Auguste Stein, gehören zu den am häufigsten besuchten Orten auf dem Friedhof. Sie sind dank der Pfeile, die auf sie hinweisen, leicht zu finden.
Siegfried Stein starb am 10. Juli 1893 im Alter von 49 Jahren, wie Edith Stein in „Aus dem Leben einer jüdischen Familie“ schreibt: „Mein Vater starb auf einer Geschäftsreise am Hitzschlag. Er hatte an einem heißen Julitage einen Wald zu besichtigen und mußte eine größere Strecke zu Fuß gehen. Ein Briefträger, der über Land ging, sah ihn von weitem liegen, nahm aber an, daß er sich zum Ausruhen hingelegt hatte, und kümmerte sich nicht weiter darum. Erst als er ihn nach Stunden auf dem Rückweg immer noch an derselben Stelle sah, ging er hin und fand ihn tot. Meine Mutter wurde benachrichtigt und holte die Leiche nach Breslau. Der Ort, wo mein Vater starb, liegt zwischen Frauenwaldau und Goschütz.“
Nach dem Tod ihres Mannes übernahm Auguste Stein das Geschäft und zog zugleich ihre sieben lebenden Kinder auf. Sie war das „Sippenoberhaupt“ einer jüdischen Mehrgenerationenfamilie, eine tüchtige Geschäftsfrau, später Besitzerin des Hauses in der Michaelisstraße 38, aber vor allem Mutter, Großmutter, Schwester und Schwiegermutter. Sie wurde fast 86 Jahre alt.
Eines der schwierigsten Themen im Leben von Auguste Stein war zweifellos die Konversion ihrer jüngsten Tochter Edith zum Katholizismus (1922) und später ihr Eintritt in den Karmeliterorden in Köln (1933). Ihre Mutter hat sich bis zu ihrem Tod nicht gänzlich mit der Entscheidungen ihrer Tochter ausgesöhnt. Nach langer Krebserkrankung und schwerem Leiden starb Auguste Stein am 14. September 1936 im Haus der Familie in der Michaelisstraße 38, in einem Zimmer im ersten Stock.
„Diejenigen, die auf jüdischen Gräbern ein Zeichen des Gedenkens hinterlassen möchten, seien daran erinnert, dass im Gegensatz zur christlichen Tradition in Polen, eine Kerze auf dem Grab anzuzünden, der jüdische Brauch darin besteht, einen Kieselstein auf das Grab des Verstorbenen zu legen. Im Judentum gilt die Kennzeichnung des Bestattungsortes als Erfüllung eines Gebots und als edle Tat. Auch das Anzünden einer Kerze ist eine gute Tat.“ [mehr dazu]