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Peter Corthiers Bericht über sein Erasmus+-Praktikum im Edith-Stein-Haus

Nachdem ich mein Geschichtsstudium an der Universität Potsdam beendet hatte, habe ich von März bis Mai 2023 ein zweimonatiges Praktikum im Edith-Stein-Haus (ESH) in Wroclaw (Polen) absolviert. Auf das Museum bin ich über den Praktikumsratgeber meiner Universität aufmerksam geworden. Ausschlaggebend für meine Wahl waren die aufschlussreichen und motivierenden Praktikumsberichte anderer Student:innen, welche bereits ein Praktikum im Haus absolviert hatten. Nun möchte ich mich meinen Vorgänger:innen anschließen und von meiner Zeit sowohl im Edith-Stein-Haus als auch in Wroclaw berichten.

Dank des Förderprogramms Erasmus+ für Graduierte konnte ich meinen Aufenthalt in Polen vollständig finanzieren.[1] Neben den Kosten für Unterkunft und Verpflegung waren vom Stipendium auch die Zug- bzw. Flixbustickets für die An- und Abreise abgedeckt. Meine Reise verlief von Hamburg aus über Berlin bis zum Wroclaw Hauptbahnhof. Von dort aus legte ich das letzte Stück zum Museum mit dem Bus zurück. Gleich zu Beginn wurde ich sehr herzlich empfangen und eine Mitarbeiterin des Museums zeigte mir mein Zimmer. Meine Unterkunft befand sich im selben Gebäude wie das Museum, sodass ich nur die Treppe nach oben nehmen musste. Für mich wurde ein sehr schönes Apartment mit zwei gemütlichen Räumen, einer Toilette und einem Badezimmer vorbereitet. An Möbeln hatte ich alles, was ich brauchte und auch für Bettwäsche und Handtücher war gesorgt. Zudem hatte ich einen LAN- und einen W-LAN-Zugang im Zimmer und im Haus gab es eine Gemeinschaftsküche sowie einen Waschraum für Wäsche.

Nachdem ich mich eingerichtet hatte, lernte ich meine Hauptansprechpartnerin Ania kennen, die mir das kleine Team des Hauses vorstellte. Sie zeigte mir auch meinen Arbeitsplatz im Büro und führte mich durch die Ausstellungsräume des Museums. Von den Mitarbeiter:innen erhielt ich viel interessantes Material zum Lesen über Edith Stein, ihrer Familie, das Museum und die Stadt Wroclaw. Da ich mich bis zum Start meines Praktikums zunächst grundlegend mit der Geschichte der Familie Stein befasst hatte, verbrachte ich die ersten Wochen meines Praktikums damit, mich tiefer in das facettenreiche und spannende Leben Edith Steins einzulesen. Das wichtigste Werk war für mich ihre Autobiographie, welche auf Deutsch in der Bibliothek des Hauses stand. Bei Fragen und Unklarheiten konnte ich jederzeit mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Museums sprechen. Insgesamt war die erste Zeit geprägt von einem regen Wissensaustausch. Zu den täglichen Aufgaben zählte die Übersetzung von Artikeln der Museumswebsite sowie die Unterstützung bei Veranstaltungen im Haus. So half ich Beispielsweise bei der Vorbereitung einer kleinen Kunstausstellung, wo Kinder ihre selbstgemalten Portraits von Edith Stein präsentierten.

Auch außerhalb des Hauses gab es viel zu entdecken. Die Edith-Stein-Gesellschaft ist in Wroclaw sehr weit vernetzt, wodurch ich auf verschiedene Veranstaltungen eingeladen wurde. An einem Tag besuchte ich zusammen mit dem Team des ESH die Ausstellung „Golgotha of the east“, welche über das Schicksal polnischer Bürger als Gefangene in Sibirien berichtete. Durch Ania lernte ich auch eine lokale Stadtführerin kennen, welche mich durch Wroclaw führte. Sie informierte mich zudem über anstehende Veranstaltungen wie beispielsweise die Lesung des Comedian Paul Bokowskis, der ein Buch über seine Kindheit als Sohn polnischer Migranten in einer Sozialbausiedlung in Deutschland, der sogenannten „Schlesenburg“, geschrieben hat.

Nach den ersten Wochen meines Praktikums vertraute mir das Museumsteam die Aufgabe an, eine eigene Führung für eine deutsche Gruppe durch das ESH zu übernehmen. Obwohl ich sehr aufgeregt war, war ich auch sehr dankbar für das Vertrauen und die Förderung. Durch die gut sortierte Literatur über Edith Stein und die anschauliche Dauerausstellung, konnte ich die Zeit bis zur Führung gut nutzen, um mich vorzubereiten. Ich hatte sogar die Gelegenheit den Hausrundgang mit Freunden zu üben, welche ich in Wroclaw kennengelernt habe. Ich lernte somit schnell, wie bereichernd diese Arbeit ist. Als der Tag der Führung kam, fühlte ich mich sehr selbstsicher und war bereit für meinen ersten Hausrundgang. Ich führte eine Gruppe von 8 Personen aus Deutschland durch die einzelnen Zimmer des Hauses. Dabei kamen wir häufig ins Gespräch und tauschten uns über Edith Stein aus. Die Führung vertiefte nicht nur mein Wissen über Edith Stein, sie zeigte mir auch, wie erfüllend die Arbeit mit Menschen in einem Museum ist.

Nach meiner ersten Führung war ich sehr motiviert und übernahm weitere Rundgänge in deutscher und englischer Sprache. Meistens kamen Gruppen mit zwei bis drei Personen und teilweise führte ich auch nur eine Person. So lernte ich Menschen aus Brasilien, den USA, Tschechien und verschiedenen deutschen Städten kennen. Es kam auch vor, dass ich mich nach den Führungen noch bei einem Kaffee mit den Besucher:innen unterhielt und mehr über sie und ihr Verhältnis zu Edith Stein oder ihre Pläne in Wroclaw herausfand. Meine Betreuerin Ania und ihr Kollege Marek standen mir während meines gesamten Aufenthalts zur Seite. Sie förderten und forderten mich, indem sie mich in die Aufgaben einführten und mir die Verantwortung für verschiedene Aufgaben im Museum übertrugen. Dabei konnte ich jederzeit über meine Wünsche und Ziele für das Praktikum sprechen und eigene Ideen einbringen.

In meiner Freizeit erkundete ich das Stadtleben in Wroclaw. Vom Museum aus sind es ungefähr 20 Minuten zu Fuß oder wenige Minuten mit dem Bus oder der Straßenbahn bis zum Zentrum. Am schönsten fand ich es, den ehemaligen Weg Ediths zur Universität zu nehmen. Von dort aus kommt man schnell zum malerischen Marktplatz, welcher immer einen Besuch wert ist. In der Stadt gibt es viele bunte kleine Geschäfte und Restaurants und auch direkt um die Ecke des Museums gibt es Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf. In Wroclaw befinden sich auch zahlreiche Sehenswürdigkeiten wie die Dominsel, die Jahrhunderthalle mit den angrenzenden Museen und Galerien oder der botanische Garten. Bei den Eintrittspreisen fällt auf, wie vergleichsweise günstig die Preise im Vergleich zu Deutschland sind. Mit dem Erasmus-Stipendium konnte ich mir vieles leisten, was mir ermöglichte, die zahlreichen kulturellen Angebote der Stadt zu nutzen.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass mir das Praktikum im Edith-Stein-Haus kurz nach dem Abschluss meines Studiums sehr viel gegeben hat. Ich habe eine sehr schöne Zeit in Polen verbracht, während ich spannende Einblicke in die verschiedenen Bereiche der Museumsarbeit erhielt, die Aufgaben eines internationalen Guides kennenlernte und vieles über die Verschränkung der deutsch-polnischen Geschichte erfuhr. Darüber hinaus hat mir das Praktikum gezeigt, wie motivierend die Museumsarbeit im Bereich Bildung und Vermittlung ist. Durch die Tätigkeit als Guide habe ich viel über mich selbst gelernt und wie ich meine Fähigkeiten im Museum einsetzen kann. Als Historiker fand ich Edith Steins Leben und das ihrer Familie sehr spannend. Für mich gab es viele interessante Aspekte in ihrer facettenreichen Biographie und gerne hätte ich noch länger im Museum zu ihrem Wirken und ihrer Zeit geforscht. Zum Abschluss bleibt mir nur noch zu sagen, dass ich jedem ein Praktikum im Edith-Stein-Haus nahelegen möchte. Vor allem empfehle ich es jenen, die die vielseitige Museumsarbeit in einem familiären Umfeld praktisch entdecken und erfahren möchten.


[1] Eine wichtige Voraussetzung für die Antragsstellung ist, dass man noch an der Universität immatrikuliert ist.